Ein Wahlprogramm, keine Köpfe
Ein Wahlprogramm, keine Köpfe
Einig war sich der in Dresden abgehaltene Bundesparteitag in dem Ansinnen, ein Wahlprogramm zu verabschieden: Die fast 550 Delegierten stimmten unter anderem für eine Resolution zur Corona-Politik (Entwurf, S. 17), die es den Bürgern und Bürgerinnen selbst überlässt, ob und wie sie sich schützen wollen. Sie bekannten sie sich zu einer Neuordnung des Verfassungsschutzes – und dann votierten sie, überraschend, für einen Dexit, einen Austritt Deutschlands aus der EU, weil sich der Staatenbund als unreformierbar erwiesen habe. Der Parteitag beschloss auch, mit einem Spitzenduo in den Wahlkampf zu gehen. Unklar blieb aber, wer die Doppelspitze bilden soll. Anders als auf dem Parteitag von Köln 2017, als die beiden heutigen Fraktionschefs Alice Weidel und Alexander Gauland zum Spitzenteam gewählt worden waren, fiel diesmal keine Entscheidung. Mit der äußerst knappen Mehrheit von 51 zu 49 verzichtete man darauf, Spitzenkandidaten zu bestimmen. Damit ist die Partei in der für die bevorstehende Wahl womöglich wichtigsten Frage des Superwahljahres gespalten – wie so oft.
Nun gibt es zwar eine Wahlkampagne, aber vorerst keine Köpfe, die das vertreten werden. Die AfD-Führung präsentierte den Delegierten Plakatmotive und ein Video unter dem Slogan "Deutschland, aber normal" – ein reichlich unbestimmtes Motto, in dem sich jeder wiederfinden könne, wie Parteichef Jörg Meuthen sagte. Es ist eine Art Wohlfühlslogan, mit dem die Partei Sehnsüchte nach vermeintlich deutschen Tugenden wie Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit bedienen will – das Bedürfnis nach "Geborgenheit und Nestwärme", wie Co-Chef Tino Chrupalla es formulierte.
Mit Ziel, bloß nicht zu kungeln bei Personalfragen, wie man es von den anderen Parteien kennt, sollen nun die Mitglieder bis zum 25. Mai qua Abstimmung entscheiden, wer Spitzenkandidat werden soll. Das hatte Parteichef Meuthen kraft seiner Mehrheit im Bundesvorstand durchgesetzt.
Dennoch hat sich Meuthen mit dem Mitgliedervotum für das Spitzenduo wohl keinen Gefallen getan. In der AfD zweifelt nämlich keiner ernsthaft daran, dass Meuthens Co-Bundeschef Tino Chrupalla als einer der beiden Spitzenkandidaten durchkommt, unterstützt vom nationalistischen Parteiflügel um Björn Höcke. Wie Gespräche am Rande des Parteitages zeigen, hätte dieser Flügel in Dresden auch die zweite, von Meuthen favorisierte prominente Kandidatin mitgewählt – die hessische Bundestagsabgeordnete Joana Cotar, die seit November zum Bundesvorstand gehört. Selbst der Chef von Chrupallas Landesverband Sachsen warb noch in der Tagungshalle dafür, die Wahl jetzt zu treffen, sie nicht zu verzögern, indem man sie den Mitgliedern überlässt. Cotars Konkurrentin, die derzeitige Fraktionschefin Alice Weidel aus Baden-Württemberg, hatte kurz zuvor verkündet, auf dem Parteitag nicht antreten zu wollen. Alles lief auf den 45-jährigen Chrupalla und die drei Jahre ältere Cotar zu – die innerparteiliche Machtbalance wäre so auch im Spitzenteam gewahrt gewesen. Nun muss die Entscheidung aber bis Ende Mai warten.
Weidels Rückzug auf Raten
Weitere aussichtsreiche Bewerber sind nicht in Sicht, die das Kandidatenfeld grundsätzlich verändern könnten. Dass Weidel bei der nun folgenden Mitgliederabstimmung auch antritt, wird immer weniger wahrscheinlich. Obwohl sie wegen ihrer Bekanntheit als Fraktionschefin da bessere Chancen hätte als die Hessin Cotar, vollzieht die 42-Jährige derzeit einen Abschied auf Raten: Bevor sie am Parteitagsmorgen ihren Verzicht auf eine Spitzenkandidatur in Dresden ankündigte, hatte sie die Antwort auf die Frage, ob sie kandidieren würde, stets verweigert. Dieser Frage wich sie nun in der Tagungshalle in Dresden erneut aus.
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