Das Kreuzfahrtschiff „Superstar Libra“ wurde am Mittwoch in Wismar mit vier Schleppern vor die Werfthalle gezogen. Bilder können Sie in der Galerie sehen. Die wahrscheinlich letzte Reise wird jetzt vorbereitet. So soll es weitergehen.
Wismar
Hannes Lange hat ein Heimspiel. Der Wismarer ist Erster Nautischer Offizier auf dem Schlepper „Bugsier 16“. Am Mittwoch sind vier Schlepper in der Hansestadt. Ihr Ziel: Das Kreuzfahrtschiff „Superstar Libra“ vom Westhafen – um die Ecke – vor die Dockhalle der Werft zu manövrieren. Übernommen hat den Auftrag die Fairplay Towage Group. Ein Sitz der Schleppreederei befindet sich in Rostock.
Wohnschiff wird im Zuge der Krise nicht benötigt
Der zum Wohnschiff umfunktionierte Kreuzliner soll am Sonnabend Wismar verlassen. Gekommen war das Schiff im Juli 2018, im November 2019 gingen die ersten Arbeiter zum Wohnen an Bord. Wenige Monate später kam die Corona-Krise. Weltweit. Seitdem wird bei MV Werften auf Sparflamme gearbeitet. Die „Superstar Libra“ wird nicht mehr benötigt.
„Es ist schon schade, dass das Schiff weggeht.“ Hannes Lange weiß, dass das Interesse an Schiffen in Wismar groß ist. Im Stadtbild war der 216 Meter lange Ozeanriese ein Hingucker, ein beliebtes Fotomotiv. „Auch wenn wir mit dem Schlepper in Wismar liegen, fragen die Leute, was wir machen“, schmunzelt der Familienvater. Sein Sohn ist drei Jahre.
Vier Schlepper nehmen Kreuzliner an die Leine
Am Mittwoch lässt der 32-jährige Offizier gegen 8 Uhr den OZ-Reporter an Bord. In der Kombüse finden sich auch Kapitän Torsten Kaeber (55), Maschinist Peter Schmidt (52) und Schiffsmechaniker Frank ein. Die Sonne scheint, der Morgennebel verzieht sich, der Wind schläft.
Gegen 9 Uhr setzen sich die Schlepper „Bugsier 16“ und „Bugsier 17“ in Bewegung. Beide nehmen den Kreuzliner Steuerbord (in Fahrtrichtung links) an die Leine. Die Schlepper „Fairplay 17“ und „Fairplay 20“ platzieren sich an Bug und Heck.
Liveticker zum Nachlesen: Wohnschiff „Superstar Libra“ für Abfahrt aus Wismar bereit
Ist das ein besonderer Job? „Weil es in Wismar ist, ja. Sonst nicht. Wir sind ja in vielen Häfen unterwegs.“ Hannes Lange war unter anderem zwei Jahre im Schwarzen Meer. An Bord eines Schleppers hat er den Bau der Gaspipeline „Turkstream“ von Russland bis in die Türkei begleitet.
Erster Offizier will Kapitän werden
In Wismar läuft alles professionell. Das Schleppgeschirr sitzt. Gegen 10 Uhr wird die Libra in Bewegung gebracht. Zwei Lotsen auf dem Wohnschiff dirigieren die Schlepper. Zuschauer am Technologiezentrum verfolgen das Schauspiel.
Hannes Lange steuert den Schlepper. Er hat Schiffsmechaniker gelernt, anschließend an der Fachschule in Warnemünde sein nautisches Patent erworben. „Ich will jetzt Erfahrung sammeln. Die unterschiedlichen Antriebe auf Schleppern sollte man beherrschen“, sagt der gebürtige Poeler. Kapitän – das ist sein Ziel.
Zwei Lotsen auf dem Kreuzfahrtschiff „Superstar Libra“
Die Hälfte ist geschafft. Es geht in Richtung Dockhalle. „Fairplay 20“ zieht die „Libra“, „Bugsier 16“ und „Bugsier 17“ drücken den Kreuzliner um die Kurve, „Fairplay 17“ hält das Schiff auf Kurs. „Die Lotsen sind wichtig, sie koordinieren alles, wir können ja nicht einschätzen, wie weit es noch zur Pier ist“, sagt Kapitän Torsten Kaeber.
Hannes Lange manövriert von der Brücke aus den Schlepper. „Ich kann mir nichts anderes vorstellen.“ Die Liebe zum Job wurde ihm quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater ist als Seenotretter auf dem Darß stationiert, sein Opa war Fischer in Wismar, davor gab es Fischer auf Poel.
Nach dem Job eine Stärkung aus der Kombüse
Um 11.10 Uhr schäkeln der Offizier und Schiffsmechaniker Frank die „Fairplay 16“ von der „Libra“ ab. Der Schlepper fährt zurück an die Pier im früheren Holzhafen. Am Donnerstag wird noch Schützenhilfe für ein Seehafenschiff geleistet. Die drei anderen Schlepper machen sich auf den Weg nach Rostock.
In der Kombüse duftet es. Nach dem Job gibt es Zucchini und Hack überbacken. „Ein Hafenschlepper in Wismar, das wär’s“, sagt Hannes Lange. Träumen ist erlaubt. „Ich habe immer ein Grinsen im Gesicht, wenn ich nach Hause fahre.“
Doch wie geht es mit der „Superstar Libra“ weiter? Eine Anfrage der OZ bei Columbia Shipmanagement in Hamburg, eines der weltweit führenden Unternehmen im technischen Schiffsmanagement, blieb bisher unbeantwortet.
Zum Schiffsfriedhof in die Türkei?
Erzählt wird, dass das 1988 unter dem Namen „Seaward“ in Dienst gestellte Schiff die letzte Reise in Richtung Türkei antritt. Ein Schiffsfriedhof ist offenbar das Ziel. Die „Libra“ sei allein nicht mehr fahrtüchtig.
Wenn das Wetter mitspielt, wird die „Libra“ Wismar am Sonnabend, 6. November, verlassen. Mehr als Windstärke 4 sollte es nicht geben. Aus der Fahrrinne der Wismarbucht wird ein Hauptschlepper den Ozeanriesen ziehen, drei weitere Schlepper werden vermutlich assistieren. An Bord der „Libra“ dürften sich zwei Lotsen und eine Notcrew befinden. Danach könnte das Schiff unbemannt von einem Schlepper gezogen werden.
Hannes Lange wird weiter seinem geliebten Job nachgehen. In Kürze wird die „Bugsier 16“ im Zuge der Flottenangleichung als „Fairplay 55“ unterwegs sein.
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