Am Mittwochabend in Duisburg hieß der Gegner Nordmazedonien, und am Ende stand eine Blamage für die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes, wie es sie so auf dieser Ebene noch nicht gegeben hat – 1:2. Goran Pandev, 37 Jahre alt und Rekordnationalspieler seines Landes, hatte Nordmazedonien in der Nachspielzeit der ersten Hälfte in Führung gebracht (45.+2). Es brauchte einen Foulelfmeter, um Joachim Löws Mannschaft den Ausgleich zu servieren, Ilkay Gündogan verwandelte, nachdem Leroy Sané zu Boden gegangen war (63.) - eine enge Entscheidung.
Danach hatten die Deutschen noch einmal auf der anderen Seite Elfmeterglück, als bei Emre Cans Handspiel der Pfiff ausblieb (76.), aber das sollte es noch nicht gewesen sein: In der 85. Minute schoss Eljif Elmas zum 2:1 für Nordmazedonien ein. Trotz optischer Überlegenheit und einem Chancenplus war es ein Fiasko für die deutsche Mannschaft, das vieles von den zarten Signalen der vergangenen Tage zunichtemachte.
Deutsches Spiel wie lahmgelegt
Vieles, was gegen Island und Rumänien noch ansprechend ausgesehen hatte, wirkte diesmal wie brotlose Kunst, die Offensive mit Sané, Serge Gnabry und Kai Havertz agierte fahrig, im Mittelfeld fehlten Ideen und Dominanz, und die Abwehr musste sich zumindest die Gegentreffer ankreiden lassen. Vor allem aber musste es erschreckend für Joachim Löw und sein Team gewesen sein, in welche Schwierigkeiten es von einem robusten und mutigen Gegner zu bringen war.
Viel zu leichtgewichtig wirkte das deutsche Spiel – und phasenweise wie lahmgelegt. Für Löw endete die WM-Qualifikation damit in einem weiteren Desaster. Wenn es im September weitergeht, wird schon ein anderer Bundestrainer in Amt und Würden sein. Aber es war auch ein ernüchterndes Ende der ersten Einspielphase für die EM. Der vorsichtige Optimismus der vergangenen Tage dürfte einer gehörigen Portion Frust gewichen sein.
Begonnen hatte der Abend mit einer weiteren Aktion in Sachen Menschenrechte, nach den Nationalhymnen strömten diesmal auch die Ersatzspieler aufs Feld, ein weißes Transparent wurde entrollt: „Wir für 30“, handgemalt in Schwarz-Rot-Gold, ein Verweis auf die 30 Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Zusammen mit den Motiven der vorigen beiden WM-Qualifikationsspiele ergab sich so ein Triptychon des guten Willens, wobei die deutlichste Botschaft von einem Abwesenden gekommen war: von Toni Kroos, der im Podcast „Einfach mal Luppen“ mit seinem Bruder Felix konkrete Missstände im WM-Gastgeberland Qatar angeprangert hatte.Ungeachtet dessen wollte die Nationalmannschaft sportlich einen weiteren entschlossenen Schritt in Richtung Qatar machen. Löw hatte die obligatorische Warnung vor dem Gegner in Formeln gepackt, wonach die Nordmazedonier „mit allen Wassern gewaschen“ und „keinen Deut schlechter als Rumänien“ seien. Eine Pause gönnte er Manuel Neuer. Für Marc-André ter Stegen war es somit der erste Länderspieleinsatz seit November 2019 beim 6:1 gegen Nordirland.
Daneben nahm Löw nur einen weiteren Wechsel vor, der zuvor angeschlagene Robin Gosens erhielt den Platz von Lukas Klostermann; Gosens übernahm die linke Position in der Viererkette, Can wechselte in die Innenverteidigung, Matthias Ginter auf die rechte Abwehrseite. Bei gegnerischem Ballbesitz bildete sich so eine 4-2-3-1-Formation mit Gnabry als erstem Störenfried und einer Dreierreihe mit Sané, Havertz und Gündogan dahinter. Mit Ball schob Gosens weit nach vorn, so dass ein extrem offensives 3-4-3 entstand, oft mit fünf Spielern in der vordersten Linie.
Doch der Effekt der so angestrebten Überzahl hielt sich in Grenzen. Die Deutschen ließen zwar den Ball zirkulieren, aber die Nordmazedonier waren nicht bereit, Spalier zu stehen, sondern stellten Räume zu und räumten mitunter energisch ab. Das schmeckte den auf Leichtigkeit bedachten Deutschen überhaupt nicht, der Lattentreffer von Goretzka nach Zuspiel von Havertz in der 9. Minute blieb lange die einzige nennenswerte Chance. Rund um die 30-Minuten-Marke schob sich dann das Thema Abschluss wieder in den Vordergrund. Zwei Chancen vergab Gnabry aus aussichtsreicher Position, die eine frei aus kürzester Distanz, ein Mal vertändelte Havertz.
Nach den beiden Spielen gegen Island (3:0) und in Rumänien (1:0) hatte der Bundestrainer seiner Mannschaft noch ein gutes Zwischenzeugnis aufgestellt, er lobte vor allem die neu- oder wiedergewonnene Kompaktheit. Gegen Nordmazedonien aber war bald etwas vom alten Schlendrian zu spüren, dazu kamen einige gesammelte Schlampigkeiten, so dass ter Stegen sein Tor nur bedingt in Sicherheit wähnen konnte.
Nach 24 Minuten sauste eine scharfe Hereingabe von Ademi Richtung Fünf-Meter-Raum, Can konnte klären. Nach einem Freistoß von rechts brauchte es einen hellwachen ter Stegen, um den Rückstand zu vermeiden. Kurz vor der Pause war es dann aber geschehen, weil Pandev sträflich allein in Cans Rücken vor dem Tor lauerte und die Vorlage von Bardhi nur noch hineinzudrücken brauchte. Der Jubel war laut und heftig, und bei den Deutschen: Ungläubigkeit.
Der Wille war nach der Pause da, ein Weg aber fand sich wieder nicht ohne weiteres. Löw reagierte nach 56 Minuten, als er Amin Younes und Timo Werner für Havertz und Gosens brachte, aber ein echter Effekt blieb aus. Dann kam das doppelte Elfmeterglück der Deutschen, auch wenn nach Sanés Haken eine leichte Berührung mit Alioskis Abwehrbein vorlag, die soeben für einen Pfiff genügte. Wie Werner dann die Chance zum 2:1 vergab, gehörte in die Kategorie peinlich – was sich am Ende über den ganzen Auftritt sagen ließ.
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